Miete Pro Kopf

Wenn du zwei Hosen hast verkauf eine und kauf dir mit dem Geld dieses Buch! Steueroasen, Revolution und Wahnsinn erwarten dich. 

Über das Buch

Angefangen das Buch zu schreiben habe ich im Jahr 2014. Damals war meine politische Einstellung noch deutlich weiter Links. Während des Skandals rund um Gamergate hat sich meine politische Einstellung langsam geändert. Die negative Reaktionen der etablierten Linken Journalisten gegenüber der Konsumentenrevolte brachten mich dazu konträre Meinungen auch auf anderen politischen Gebieten einzuhohlen. 

So lag das Buch eine ganze Weile halbfertig in meiner Schublade. Die Grundidee war, das der Held der Geschichte, sich aufmacht und eine Bank gründet in einer Steueroase welche eine linke Revolution finanzieren sollte. Der einzige Ausweg der Staaten um die Revolution zu bekämpfen wäre das trocken legen der Steueroasen gewesen. Die Zusatzeinnahmen hätten in sozial Programme fließen sollen. Doch während des Schreibens des Roman änderte sich meine politische Einstellung grundlegend. 

Das Buch dreht sich um linke Ideale, Utopismus und deren Unerreichbarkeit.  

What’s inside

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Steueroasen

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Selbstmord

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Kulturmarxismus

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"Der Zweck heiligt die Mittel."

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"Verliere den ganzen Verstand, ein halber verwirrt nur."

1.
„Verliere den ganzen Verstand, ein halber verwirrt nur“ stand auf der Leitplanke in gelber, kaum lesbarer, krakeliger Schrift. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. War das Blut? Schlief er gerade ein oder wurde er gerade wach? Einen Brocken Erinnerung hatte er noch an den Traum. Es regnete in seinem Traum. Die von der Hitze schwangere Luft, kühlte langsam ab. Er saß in einem Auto, er fuhr viel zu schnell. Er war auf der Flucht. Vor was war er auf der Flucht? Spucke lief ihm aus dem Mund und er schmeckte Eisen. Er strich sich über sein Kinn und seine Finger waren rot. Blut tropfte von seinen Fingern auf seine Hose. Das Auto donnerte die Straße entlang, die Regentropfen flossen vertikal, nicht nach unten. Manchmal fällt der Regen eben nicht nach unten. Das Auto war viel zu schnell als, dass er hätte reagieren können. Auch ohne die Feuchtigkeit die den Boden bedeckte, wäre der Wagen ausgebrochen, würde später ein Versicherungsvertreter sagen.
Die Kurve war zu scharf, für seine Geschwindigkeit. Schweiß perlte an seiner Stirn, Regen prasselte auf das Auto und von der Sonne war nur die schwüle Hitze übriggeblieben, die langsam mit dem Regen dahinstarb. Sein Herz raste.
Dunkelgrau war der Himmel, dunkelgrau war das Metall an der Leitplanke. Nur der Schriftzug, brachte ein wenig Farbe in die Sache. In der Kurve brach der Wagen aus und schien für einen Augenblick in der Luft zu hängen. „Ist es das? Sterbe ich hier?“ schoss es ihm durch den Kopf. Die Räder drehten sich in der Luft. Alles ist auf einmal so langsam. Ich kann sehen wie der Baum Zentimeter für Zentimeter näherkommt. Was bringt der geschärfte Blick, wenn man doch nur Zuschauer ist? Was macht ein Menschenaffe auch in einem
Personenkraftwagen? Der Mensch und seine Reaktion ist nur für Geschwindigkeiten ausgelegt, die er selber zu Fuß erreichen kann. Alles andere ist die Moderne, die langsam das tierische Dasein aus der Seele des Menschen kratzt.
Die Leitplanke schütze den unvorsichtigen Fahrer vor einem kleinen Abhang. Oder schütze die Leitplanke eine Gruppe Bäume vor dem unvorsichtigen Fahrer?
Der Knall hallte nicht nach, als die Leitplanke zerbrach, doch alles vibrierte. Das Gras waberte wie Wasser das durch einen Stein in Schwingung gebracht worden war. Das Auto neigte sich, neigte sich mit ihm zu Boden und entlud die 160 Pferdestärken Energie mit ihm an einem Baum. Er wollte schreien doch seine Stimmbänder versagten.
Es schüttelte ihn immer noch, als er die Augen aufmachte. Er lag in seinem Bett. In seinem spärlich möblierten Apartment. Der Sechs-Uhr-Morgen-Güter-Zug ließ seine Wohnung im Mietshaus ab und zu erbeben. Je nachdem ob er überladen war oder nicht. Je nachdem ob der Zug vorangegangene Verspätungen aufholen musste.
„Was für eine Scheiße habe ich mal wieder geträumt.“ Fuhr es Ihm durch den Kopf. Du arbeitest 50 Stunden jede Woche um in einer Wohnung zu leben in der du, vom ersten Güterzug des Tages wach wirst.
Husten trieb einen Klumpen Schleim seine Kehle hoch, er spuckte ihn auf den Boden. Er machte Grau, Schwarz, Gelb und Rot aus, Rot war neu.
Er dreht sich um und versuchte noch einmal ein Auge zu zuzubekommen. Unter der Woche fahren Züge, an Wochenenden fahren die Züge, an Geburtstagen fahren die Züge, an Urlaubstagen fahren die Züge. Es fahren immer diese
verdammten Züge. Zumindest kann ich früher glücklich sein, als andere die länger schlafen.
Sein Gedankenstrom riss wieder ab. Er schlief langsam wieder ein. Zwischen Bewusstsein und Schlaf drängte sich ihm ein Gedanke auf:
„Wenn mich nicht die Züge aufwecken, wecken mich die Träume auf.“ In seinen Träumen war alles grell und gewalttätig. Primitive gutturale Gesänge eines rebellierenden Unterbewusstseins. Nur gegen was? Gegen sein Leben, dessen Schmied er selber war? Gegen die Moderne, den Kapitalismus? Er war doch Bildhauer und Skulptur in einem, sich selbst aus dem Stein schneiden. So sah er sich selber und in seinen Träumen, was war da? Immerzu war dort Gewalt, immerzu war es grell.
Farben tanzten vor seinen Augen, eine Leere zog ihn davon, während blau, grün und rot nicht mehr aufflammten wie Flak Lichter, verschwammen sie in Mustern und die Muster zu Bildern. Mal sprang er aus einem Flugzeug, mal setzte er sich auf ein Gleis und wartete auf den Zug, mal kämpfte er mit einem Bären, mal ertrank in der Strömung eines Wehrs, mal starb er im Alkohol-Delirium auf einer Parkbank. Einmal wurde er in einer Telefonzelle hingerichtet, er sah den Vollstrecker nicht einmal.
„Komm schon nicht so eine Scheiße, fünf Minuten, nur fünf Minuten Schlaf will ich noch. Aber bitte traumlosen Schlaf, geht das?“ Nur nicht raus, aus dem Bett nur nicht zurück in das Leben. An wen waren diese Worte eigentlich gerichtet? An Schlaf war nicht mehr zu denken.
Sein liebster Sterbetraum war der, in dem eine explodierte Druckerpatrone seine Halsschlagader zerriss. Eine Blutfontäne ruinierte die schönen mit grau-weiß Möbeln zugestellten Büroräume seiner Arbeitsstelle. War es seine Hand die
Patrone präparierte? Seine Kollegen, diese Systemiten hätten es auf jeden Fall verdient. Jeder in dieser Branche hat schmutzige Hände.
Sein Unbewusstsein eröffnete ihm so viele Auswege, doch keiner schien der Richtige zu sein. Keiner schien zu halten, was er versprach. Alle lockten ihn mit der Evakuierung der Seele. Gleite in die Freiheit, in den ewigen Schlaf.
„Was stimmt nicht mit mir?“. Dieser Gedanke huschte öfters an ihm vorbei. Wie das Rattern der vorbeifahrenden Züge begleitete ihn dieser Gedanke jeden Tag.
„Was stimmt nicht mit der Welt, warum komme ich nicht zurecht?“. Er schüttelte den Kopf und raunte „Das ganze verdammte System ist krank.“ vor sich hin.
Sein Wecker schellte, die Stille zerbrach, so schnell wie seine Hoffnung, als er in diese Wohnung gezogen war. Lag in tausend Scherben auf dem Boden, überall lag ein Splitter seiner Menschlichkeit.
Jeden Tag wurde dieser Wecker lauter, jeden Tag störender. Wie eine Sirene eines Krankenwagens, die sich in deine Schädeldecke bohrt, wenn er auf dich zufährt. Der Wecker verstummte. Er verstummte nie wirklich, als sei der Wecker das Klingeln eines Tinnitus. Er konnte ihn ab und zu tagsüber hören. Nie war er ganz weg, nur das Bewusstsein blendete ihn manchmal gnadenvoll aus. „Oder ist mein Trommelfell geplatzt? Das wäre schön, dann hätte ich endlich meine Ruhe. Ruhe…“.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen zum Fenster herein. Genug Licht um in der zweiten Schublade des Nachttisches seine Schachtel Zigaretten zu finden. Eigentlich hatte er aufgehört zu rauchen doch an Tagen wie diesen, hatte er vom Aufhören genug. Die synaptischen Spalte, die an die Dopamin
Ausschüttung durch das Nikotin gewöhnt war. Ja, auf die war Verlass. Tage wie diese, ja ja.
Tage wie diese, miese Arbeitstage, an denen ihm langweilig war oder er getrunken hatte. Kurzum, er hatte nicht aufgehört, einen Grund brauchte er doch morgens um aufzustehen. Ein Glimmstängel in der Hand war zumindest ein triftiger Grund nicht wieder einzuschlafen.
Wenn du während dem Rauchen einschläfst und einen Brand verursachst, zahlt keine Versicherung und du bekommst im besten Fall zwölf Monate auf Bewährung für Brandstiftung. Im Gefängnis kannst du dich dann von Steuergeldern ernähren. Steuern, die du vorher gezahlt hast. Ist das nicht seltsam, dass Steuersünder zur Strafe von Steuergeldern ernährt werden?
Mit der Zigarette in der Hand und blauem Dunst, der aus seinen Nasenlöchern drang, schleppte er sich in die Küche. „Kaffee. Kaffee ist gut, Kaffee macht wach, Kaffee ist wichtig. Kaffee ist Leben. Kaffee ist Liebe.“ Kaffee schüttet Adrenalin aus, Nikotin Noradrenalin, die beiden Botenstoffe sind Antagonisten und schalten gegenseitig ihre Wirkung aus. Kaffee und Tabak, das ist wie ein Hamsterrad. Du hast zu tun aber du kommst nicht vom Fleck.
Es rattert und gluckst, der braune Nektar der Götter ergießt sich langsam aber stetig, in eine Tasse mit der Aufschrift:
“Vom Leben gefickt, von Gott gefistet.”
Ein Geschenk zu seinem 28. Geburtstag. „Nochmal so viele Jahre plus noch ein Jahrzehnt dann wäre es soweit. Dann wüsste ich ob meine spekulative Wette, auf Wohlstand im
Alter Erfolg hat oder nicht. 40 Jahre eisernes Sparen, können in drei Jahren mit kräftiger Inflation, ein Schuss in den Wind gewesen sein. Wie tröstlich, dachte er. Er dürfte aufhören mit dem Arbeiten. Der Kühlschrank wird geöffnet, außer ein paar Soßen, zwei Bier und einer Milchtüte ist er leer. Milchtüte raus, Türe zu. Kaffee blond, aber nicht süß. Auf die Figur! Nicht aber auf die Gesundheit legt man Wert. Zumindest der Großteil der Ein-Dimensionalen Gesellschaft sieht hier den geldwerten Vorteil. Er hustet und fühlt einen weiteren Klumpen im Hals.
Er spuckt ihn in die Spüle und lehnt sich am Kühlschrank an.
Die Uhr in der Küche scheint falsch zu gehen. Er trinkt den Kaffee aus, raucht auf und geht ins Bad. Dort liegt sein Handy. Die Uhr auf seinem Handy, scheint auch falsch zu gehen.
Er hat verschlafen dämmert es Ihm. „Geht dann mein Wecker falsch oder was? Es war wohl wieder Stromausfall.“ duschen, anziehen und ab ins Büro und “Ja Herr Meier, aber natürlich Herr Meier. Ich erledige das sofort Herr Meier. Ich kümmere mich über das Wochenende darum Herr Meier. Danke Herr Meier das sie mir diese Chance geben, mich unter Beweis zu stellen zu dürfen” sagen. Das aufgesetzte Lächeln dabei nicht vergessen. Gut trainierter Affe der du bist.
Während er duscht, sticht sein Bauch bei dem Gedanken, dass er auf die 30. zugeht. Er sticht, wenn er daran denkt, dass er bisher immer gearbeitet hat, ohne Pause. Er sticht, wenn er an Schule, oder Studium, oder Arbeit, denkt. Er sticht, wenn er an das Leid, die Ausbeutung, die Unterdrückung deckt. Es sticht, wenn er an das System denkt. Immer tüchtig, immer fleißig, immer dieses stechen und eine Wohnung nahe den Gleisen, einen trostlosen Job ohne Aussicht auf Besserung und ein Bankkonto das er kaum im Plus halten kann, Monatsende und wow 14 € und 36 Cents gespart. Sein Puls
schlägt unregelmäßig. Es sticht, wie eine Nähmaschine die ihm die Magenöffnung zunähen möchte. Er stößt sauer auf. Psychosomatischer Stress, alles Einbildung, alles Ausreden nicht arbeiten zu gehen. Das findet nur in deinem Kopf statt. Wie so ziemlich alles, nur ein Spiel der Neurotransmitter ist.
Bei der Wirtschaftslage kann man froh sein, wenn man Arbeit hat. Aber natürlich Herr Meier, sie haben ja so recht Herr Meier. Mein Erfolg liegt darin ihnen zu dienen, das will er doch hören. Nach oben Bücken, nach unten treten, wie ein Fahrradfahrer. Hierarchie und Struktur einhalten.
Er schließt den letzten Knopf seines Hemdes und sein Magen sticht erneut. Er würgt. Der Muskelschlauch der den Magen umhüllt zieht sich zusammen, es folgt ein schmerzhafter Krampf. Er röchelt.
Er beugt sich über den Toilettenrand, umarmt das kalte Porzellan, um den Anzug nicht zu ruinieren presst er sich dagegen. Rhythmisch zuckt seine Speiseröhre im Takt, um sich den Kaffee noch einmal, durch den Kopf gehen zu lassen. Saure, faule Milch und Magensäure schwimmen in der Schüssel. Zwischen undefinierten Brocken schauen ihn Fettaugen an.
„Ich bin 28. Jahre alt, ich weiß das die Muskelaktivität der Speiseröhre Peristaltik heißt und habe einen Universitäts-Abschluss, es ist das Ende des Monats und ich kann mir keine Packung Milch leisten. Ich hasse meinen Job. Ich hasse meine Kollegen. Ich hasse Armut. Ich hasse die Familienwerte des 19. Jahrhunderts. Diese Werte ziehen sich wie Tentakeln durch Kultur, Institutionen und die Gesellschaft und ruinieren alles. Sie schränken ein.
Ich hasse die, die zu Lange Leben. Ich hasse mich, dafür das es mich kümmert. Ich hasse die Menschen und mich selber
dafür, dass ich anders bin. Ich will ihr Rentenkonto löschen. Ich möchte 3-Chinuclidinylbenzilat in das städtische Trinkwassernetz kippen. Ich möchte gepflegt grillen gehen. Ich möchte ahnungslos zu Grunde gehen und lächelnd mit allen Tanzen.“
Ausgekotzt und fertig geflucht.
In der Wohnung stand blauer Dunst und es roch muffig. Die erste Zigarette konnte nur schwer den Geruch vom alten Rauch des Vortags überdecken.
Licht drang durch die vielen kleinen Spalten der Rollläden und das Licht warf kleine, helle Schatten durch das Bad. Er schnappte nach Luft während er sich an der Wand neben der Toilette anlehnte. Er kramte in der Hosentasche, fischte die Packung John Player Common heraus, öffnete die Schachtel und schloss sie wieder.
Für ein kurzen Augenblick hatte sein Leben wieder Glanz, als ein paar Funken sprühten und eine kleine Flamme die Zigarette zum Glimmen brachte. Das war die längste Zeit, in der seine Augen wieder Glanz hatten, dieser Augenblick verging so schnell wie er gekommen war.
Ein tiefer Zug, zwei tiefe Züge, drei tiefe Züge. Er stand auf und wechselte das Hemd, er hatte sich beim Erbrechen schmutzig gemacht. Ein wenig Asche schwebte langsam zu Boden, als er die letzten Knöpfe seines Hemdes zumachte.
“Das Leben ist schön. Das Leben ist gut.
Doch es schenkt dir nichts, alles was du haben willst, verdienst du dir oder begehrst es nicht.
Das Leben ist schön. Das Leben ist gut.
Alles was du willst das brauchst du nicht und alles was du hast das schätzt du nicht.
Das Leben ist schön. Das Leben ist gut.”
Er murmelte die Worte vor sich hin, während er in sein Spiegelbild starrte, eine Träne lief ihm über das Gesicht, es war weiß wie die Asche-Flocken die am Boden lagen. Die verdorbene Milch hatte ihn noch blasser als gewöhnlich werden lassen. Als er die Tür in das Schloss schnappen ließ und sich auf zur Arbeit machte, lag die Nachbarschaft noch im Halbdunkel. Das ein oder andere Fenster war beleuchtet. Er schaut zu seiner Wohnung hinauf und seufzte. Der interessanteste Gesprächspartner von allen musste jetzt wieder ruhig sein, keine Selbstgespräche mehr.
Die Sonne war gerade aufgegangen, als der nächste Zug vorbeirauschte. Der Boden unter seinen Füßen wurde leicht erschüttert und er machte sich auf den Weg.
Dunkel zur Arbeit, Dunkel in Freizeit. Sprich mir nach: „Ich bin frei. Ich bin frei. Ich bin ein Nachtschattengewächs das an seinem eigenen Gift zu Grunde geht“. Solanaceae würde der Akademiker sagen.
Die Sonne ging unter, als er wieder zum Fenster seiner Wohnung aufsah. Die Arbeit war heute angenehmer als sonst gewesen, die faule Milch hatte ihn benommen gemacht.
Der Tag war an ihm vorbeigezogen, wie seine Jugend, wie Züge, Tag um Tag. Es schüttelte ihn, es ratterte, immerzu diese Züge. Er schloss die Türe auf, als er hineintrat sah er, dass die Badtür offenstand. Das schmutzige Hemd von heute Morgen hatte verhindert, dass der Luftzug, der tagsüber die Wohnung vom Zigarettenrauch befreien sollte, die Türe zuschlug. Es war zwischen Fliesen, Erbrochenem und Tür
eingeklemmt. „Das wird da noch eine Weile dort liegen bleiben“, sprach er leise und kraftlos vor sich hin.
Ein helles Licht strahlte ihn an, er griff sich eines der beiden Biere und schloss den Kühlschrank. Mit dem Rücken am Backofen, ließ er mit dem Feuerzeug den Kronkorken von der Flasche platzen. Hopfen ist Leben, Hopfen ist Liebe. Über Hopfen macht man keine Witze. Hopfen ist eine Pflanzengattung aus der Familie der Hanfgewächse. Cannabaceae würde der Akademiker sagen.
Die Glühbirne in der Küche war schon seit einer Weile kaputt. Manchmal fallen die kleinsten Dinge am schwersten, wie „Danke“ sagen oder wenn er einkaufen ging, um eine neue Glühbirne zu kaufen. Die Straßenlaterne, die zum Fenster hineinscheint, spendete ihm etwas spärliches Licht.
“Was war geschehen? Habe ich aufgeben?” fragte er sich. “Wie habe ich es geschafft, hier her zu kommen, so zu leben?”. “Mein größter Trost ist das Wehr auf dem Weg zur Arbeit.“. Selbstgespräche waren kein Zeichen von geistiger Gesundheit und doch waren sie besser als schweigend in der Küche zu sitzen und zu trinken. Wie hatte ein berühmter Autor einmal gesagt, wen du mit dir selber sprichst hören dir die Engel zu. War das ein religiöser Verkaufstrick oder war da etwas dran?
„Wenn ich entlang der Hauptstraße, über den Lilienweg zum Flussufer gehe, kann ich eine Weile am Wasser gehen, bis ich das Büro erreiche. Erst kommt die Ostend-Brücke, vielleicht 700 Meter und ein paar Sitzbänke und öffentliche Mülleimer weiter kommt das Wehr. Riesige Walzen halten das Wasser zurück, das Wasser presst sich durch ein Röhrensystem das noch aus den 50er- oder 60erJahren stammt. Vielleicht ist das Wehr auch jüngeren Datums, auf jeden Fall ist alles in rotem
Backstein gehalten. Wenn du vom Wehr ins Wasser springst, zieht dich die Strömung innerhalb von ein paar Augenblicken unter Wasser. Selbst wenn dich jemand dabei beobachtet, käme jede Hilfe zu spät. Wenn du einmal abgetaucht bist, kannst du dich nicht mehr entscheiden aufzutauchen. Im Idealfall wirst du vom Sauerstoffmangel bewusstlos, im schlimmsten Fall quetschen dir die Walzen das letzte bisschen Luft, das letzte bisschen Leben, aus deinem Körper. Dein Körper wird zermahlen und färbt das Wasser purpurn ein.
Nicht wie diese Deppen die sich vor den Zug werfen, nicht wie in meinem Traum, in dem ich meine Kollegen mitnehme. Niemand muss deinen toten Körper entsorgen, sauber und einfach für alle Beteiligten.“
Hätte es einen Unterschied gemacht, dass einem Arzt anstatt der Küchenwand zu erzählen? Mit wem sprach er da? Einem Engel, der im Backofen wohnt? Das Licht der Straßenbeleuchtung flackerte und zuckte. Es schepperte und das Licht ging aus. Dahergelaufene Halbstarke hatten es wahrscheinlich ausgetreten. Wenn er genügend zu trinken dagehabt hätte, wäre er wohl irgendwann eingeschlafen nachdem er in den Backofen gekotzt hätte.
Er grinste und rappelte sich auf, er hasste es in Selbstmitleid zu versinken und doch konnte er es nicht lassen, wie diese verdammten Zigaretten. Er zog sich um, Jeans, T-Shirt und Turnschuhe, ab zum Supermarkt. Bier und Pizza vielleicht eine Flasche Gin, es ist schließlich Freitag und die Hausbank hat doch einen großzügigen Dispo eingeräumt. „Kredit, Schuld, Zins, Knechtschaft.“ murmelte er. Das Konto hatte er kurze Zeit nach dem Tod seines Vaters eröffnet, als seine Mutter bereits wiederverheiratet war.
Damals wunderte es ihn, wie sie so schnell jemanden kennengelernt hatte, heute war ihm klar, dass sie eine Affäre gehabt hatte. Der Mensch war einfach nicht für die Institution Ehe gemacht worden.
Vater war ja auch immer im Büro gewesen, Zeit für eine Affäre war also genug da. Später dann öfters auch mal beim Arzt als es mit der Gesundheit bergab ging, aber immer noch hauptsächlich im Büro, auf jeden Fall nicht zu Hause bei seiner Frau und seinem Kind.
„Im Grunde sah ich ihn weniger oft als Kinder deren Eltern sich scheiden haben lassen. Die haben wenigstens das Wochenende, zweimal im Monat gehabt.“ Sagte er, während er sich selbst im Spiegel betrachtete.
Da war es wieder, das Selbstmitleid, er hatte genug davon. Es war bitter genug, das Privatstudium selber abzuzahlen, nachdem sein Vater starb. Es war bitter genug hochverschuldet, mit seinem Abschluss keinen Job zu finden. Es war bitter genug mit Halbstarken eine Ausbildung als Bürokaufmann zu machen, um dann in der Firma anzufangen, in der er als Ingenieur Praktika machen durfte. Es war so bitter wie saure Milch mit Magensäure. „Doch bei der Wirtschaftslage kann er doch froh sein.“ Gott wie er diesen Satz hasste. Dauernd dieses elendige Selbstmitleid.
Er schlug die Wohnungstür kräftig zu, er hatte zu wenig gegessen und das Bier schlug ein wie 5 Kurze. Das verlieh im Schwung.
Die Alte aus dem ersten Stockwerk öffnete die Tür und schimpfte in den hell erleuchteten Flur hinein, Gonzo verstand es nicht mehr und da hörte er auch schon die Haustüre ins Schloss fallen.
Die Sonne war untergegangen, nur die Gehweg-Beleuchtung spendete Licht. Naja die vor seinem Fenster nicht mehr. Er ließ Funken sprühen und inhalierte, den blauen Dunst. Die Benzolsäure die seine Lungenbläschen zerfraß, das Nikotin, das die Bluthirnschranke passierte und direkt zu seinen Acetylcholin-Rezeptoren vordrang.
Rauch kräuselte vor seinem Gesicht. Er hatte es nicht weit, doch für eine Zigarette hatte er immer Zeit. Jederzeit.
Rauchen fühlte sich an, wie einen Stromschlag zu bekommen.
Für ihn war das Rauchen ein Weg, sich noch lebendig zu fühlen. In dem man ein Stückchen Lebendigkeit aufgibt, wusste man das man noch am Leben war.
Zwei Straßen weiter, warf er einem Punk einen Euro in die Mütze. Der Punk saß immer am Friedrichsplatz, wenn man von Osten herkam. Der Punk hatte wenigstens den Mut, auf der Straße zu sitzen. „Den habe ich nicht“.
Er lief über den Friedrichsplatz und war fast beim Supermarkt. “Gonzo!”, Stille, soweit man in der Stadt von Stille sprechen kann, “Gonzo!” hallte es zwischen den Häusern hervor, “Herr Herrhausen! DU HAST DOCH NE SCHRAUBE LOCKER! Erkennst du mich den nicht.”
Da sah er, an der Einfahrt zum Wareneingang des Supermarktes, den Schreihals der nach ihm rief.
Igor stand da rum und trank wohl Bier, er hatte aufgehört zu schreien. Wobei man sich bei Igor nie ganz sicher sein konnte, seine ganze Existenz war ein Schrei. Er hatte Benzin in den Adern, war immer auf Hochtouren und drahtig gebaut.
Gonzo, so hatten ihn seine Kumpels in der Schulzeit genannt. Damals war das Leben noch bunt mit Farben, heute ist es nur
noch Betongrau, Aschgrau, Feldgrau, Mausgraus, Schwarz, Weiß, Silbergrau, Schiefergrau, Rauchgrau, Anthrazit.
Er wäre Maler geworden, hätten ihm seine Eltern nicht nahegelegt, einen rechten und ordentlichen Beruf zu lernen, mit dem man Geld verdient. Nur hat sich das Versprechen der Eltern bis heute nicht eingelöst. Einmaleins der fallenden Profitraten hätte Marx gesagt. Nun hatte sein Job weder Bedeutung, noch war er wirklich profitabel. Dabei hatte er sein Bestes gegeben seine Arbeitszeit zum höchsten Preis zu verkaufen. Seine persönliche Legende war zu einer Farce verkommen.
“Gonzo, man was läuft? Man ewig nichts gehört von dir!”, rief Igor.”Ja, man, arbeiten halt. Was machst du so?”
Igor: “Ich besauf mich heute mit dir! Oder hast du keine Zeit, musst du morgen Arbeiten?”
Gonzo wollte nur einen ruhigen und trostlosen Abend zuhause haben, aber besaufen konnte er sich auch in Gesellschaft. Igor merkte das er zögerte.
“Komm schon,“, sagte Igor, „ich sehe dich doch sonst nie wieder.”
Er dachte willkürlich an das Wehr, er lächelte und antwortete: “Ja das stimmt wohl, das stimmt wohl. Lass uns einen Trinken.”
Igor lächelte zufrieden:”Mann, es tut so gut dich mal wieder zu sehen, Gonzo.”
Er mühte sich ein ehrliches Lächeln ab, er freute sich über Igor. Doch sein Leben gab ihm schon länger nicht mehr genügend Gründe zu Lächeln. Ob nun selbstverschuldet oder nicht, das Lächeln fiel wirklich schwer.
Gonzo schlug vor, sich morgen vor dem Burnout zu treffen.
Igor war nicht begeistert: “Ne man Gonzo, morgen ist nicht spontan. Wahn ist das Beste und Einzige, Sonntag um zwei Uhr geht es nach Afrika. Gerade genug Zeit einen Rausch auszuschlafen.”
Gonzos Augen weiteten sich: “Afrika? Was willst du da?”
Nachdem sich Gonzo und Igor mit einem Sixpack Bier ausgestattet hatten, nahmen sie auf einer Bank Platz. Der Friedrichsplatz bot neben einem Basketball Feld, einer Bahnlinie, Fresstempeln und dem Supermarkt auch Bänke an. Früher hatten die beiden Schulfreunde öfters hier herumgelungert, wenn sie die Schule geschwänzt hatten. Die Noten hatten ja gestimmt, nur um die Disziplin war es damals nicht so gut bestellt gewesen. Das Nachholen von Disziplin war zwar eine Option die er gewählt hatte, doch bisher erwies sie sich als fruchtlos.
Es zischte als der Kronkorken in die Luft sprang, das Bier war zwar nicht warm, aber es schäumte trotzdem. Gonzo reagierte fachmännisch , trank direkt zwei große Schlücke, bekam aber trotzdem ein paar Tropfen auf die Hose und fragte: “Jetzt erzähl man, was ist mit Afrika?”
Igor schaute irritiert und antwortet: “Ach das habe ich mir nur ausgedacht um dir zu ein wenig Spontanität zu verhelfen.”
Gonzos Augenbrauen senkten sich, er hob sein Bier und trank noch einen Schluck und schaute zu Boden.
Igor schaute fragend: “Man was ist mit dir? Mit dir konnte man mal scherzen. Ich habe mich als freiwilliger Entwicklungshelfer gemeldet. Ich hatte kein Bock mehr, mir hat es hier gestunken. Es hat förmlich überall gerochen. Und
Grade dir ist doch Afrika so wichtig? Globales Armutsgefälle, Nord-Süd-Schere und so. Ich mach wenigstens was.”
“Nach Afrika? Wo genau?” Gonzo war sichtbar erstaunt. Als hätte Igor ihn an sein früheres, idealistisches Leben erinnert in dem er noch vermochte zu träumen, von einer besseren Welt. Von einer gerechten Welt.
“Mir ist irgendwann mal für so eine Sache sozialer Dienst aufgebrummt worden. Waren gar nicht so viele Stunden. Na ja ist ja auch egal, auf jeden Fall ist mir irgendwann aufgefallen, dass ich mich in der Zeit am besten gefühlt hab.
Also während der Sozialstunden. Wenn ich hart für das Wohl anderer und nicht für mein Wohl gearbeitet hab.“
“Ja echt jetzt? Du bist dann jetzt auf dem Weg nach Afrika? Wo denn da? Der Kontinent ist echt groß.“ Gonzo schaute Igor an wie eine Kuh dreinblickt, wenn es donnert.
“Ja Afrika!”
“Genau genommen, arbeitest du doch dort auch nur für dich. Damit du glücklich bist, so selbstlos ist das nicht.” merkte Gonzo an während in seine Tasche nach seinen Zigaretten griff. „Du hast nur existenzielle Angst, die du damit überwinden willst das du deine Zeit vertust. Hilft ja doch nichts.“ legte er nach.
“Ach komm, Gonzo! Grade dir müsste die Idee doch gefallen.”
Igor war sichtlich enttäuscht darüber wie logisch und kalt Gonzo die Angelegenheit betrachtet. Logozentrismus ist die Hure die er schon lange begehrte. Den Verstand über alles stellen. Genau genommen machte das alles doch keinen Sinn. Es war bedeutungslos. Ein Flocken Staub von 7 Milliarden, was richtet der schon an? Wen richtet er schon hin und bedeutet das dann irgendwas? Nur eine Flocke.
Gonzo zündete sich seine Zigarette an und streckte verbrüdernd seine Schachtel in Richtung Igor:
“Auch eine?”
Igor nahm die Schachtel: „Klar! Hab nur Drehtabak, ist eine willkommene Abwechslung.”
Sie saßen da und qualmten. Igor klopfte Gonzo auf den Rücken und sagte: „Was ist nun mit dir?“
„Was ist los? Irgendwas trägst du mit dir herum.“ „Ich kann nicht schlafen, der Job, Stress das übliche.“
„Musst halt einen trinken. Oder ehrlich sein mit mir, mit dir, mit dem Universum. Etwas von Bedeutung sagen. Wir können hier auch sitzen und oberflächliches Austauschen oder du sagst mir das los ist.“
Gonzo seufzte „Es sind meine Träume. Jede Nacht dasselbe. Entweder träume ich von Gewalt und Tod, in grellen Farben. Oder von diesem Fährmann.“
Igor nahm einen tiefen Zug von seinem Bier und schaute Gonzo ermunternd an während er sagte:
„Nun schieß schon los.“
„Entweder Gewalt in grellen Bildern oder ich wache auf einem Floß auf. Mitten auf dem Ozean. Das Meer ist ruhig, geradezu flach. Keine Schaumkronen. Kein Land in Sicht. Nur ruhiges Wasser.“
„Wie groß ist das Floß“
„Es besteht aus 13 Baumstämmen. Die an der Oberseite abgeschnitten sind. Das Floß ist schön flach. Ich bin aber nicht allein. Da ist dieser Fährmann. Oder ich glaube das er ein Fährmann ist. Der Mann trägt ein Kleid aus schwarzen Federn, das nur den unteren Teil des Körpers bedeckt. Der Oberkörper des Fährmanns war abgemagert und er hatte gebräunte Haut.“
Igor zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Mach weiter.“
„Er hat in keinen meiner Träume Augen aber er starrt immer zu auf das Wasser.“ fuhr Gonzo fort.
„Ich habe diesen Traum jetzt schon seit fast einem Jahr, abwechselnd mit Träumen von Gewalt, Blut und Tod. Jedes Mal, wenn ich vom Fährmann aufwache fühle ich mich als hä

Kapitel

Seiten

Anfang einer langen Geschichte? Oder nur ein Kurzroman?

Gutes buch und nicht zu lang. Kasten Bier beim lesen zu empfehlen dann wirken die Alkoholpsychosen authentischer.

smol pp, zufriedener Leser

Et harum quidem rerum facilis est et expedita distinctio. Nam libero tempore, cum soluta nobis est eligendi optio cumque nihil impedit quo minus id quod maxime placeat facere possimus.

Ali Sayed on Code of art.

Nam libero tempore, cum soluta nobis est eligendi optio cumque nihil impedit quo minus id quod maxime placeat facere possimus.

Dj Porag on Code of art.

Über den Autor 

Das Buch ist mein Erstlingswerk. Während dem schreiben begann ich zwei Sachbücher zu schreiben, die bisher unvollendet sind. Wobei ich sagen muss, Romane schreiben, macht mir einfach noch am meisten Spaß. Sachbücher lassen kaum Raum für Interpretation des Lesers. Anders ist das bei einem Roman, man schreibt und am Ende bestimmen die Leser den tieferen Sinn des Buches. 

Falls du mich Live hören willst, ich bin regelmmäßig im Podcast “Der Weltraumaffen” vertreten. In den letzten Monaten nur 14-tägig, der Podcast hat jedoch ein starkes Team und findet eisern JEDEN Sonntag um 18 Uhr statt.